HAUTE COUTURE, VILL ZO DÜÜR

Test Volvo 780
Bei Bertones gebautes Coupé mit V6-Motor



Die nachfrage nach dem Volvo Coupé 780 läßt beim deutchen Importeur nicht gerade die telefone heißlaufen. Aber es gibt schon Neugierige, die wissen wollen, warum das Spitzenmodell der schwedischen Firma in der Bundesreplik nicht angeboten wird. Stereotype Antwort: Preis nicht zu machen, das Coupé würde gut 90.000 Mark kosten. Um mit "Black Föös" te sprechen: vill zo düür - viel zu teuer.

Bei der Volvo-Dependance in der Schweiz kennt man solche Hemmungen nicht. Die Eidgenossen kaufen einen beträchtlichen Teil der geringe Produktion auf und müssen dafür die erkleckliche Summe von 75.000 Franken pro Stück bezahlen.
Die Deutsche Zurückhaltung freilich rührt nicht daher, daß die finanzielle Potenz unserer südlichen Nachbarn - Zu Recht - besonders hoch eingeschätzt wird. Für ein Land mit rigorosem Speedlimit, so die offizielle Volvo-Doktrin, genügt der 147 PS (108 kW) starke v6-Motor des Volvo Coupés, für Deutschland gilt er nicht als adäquat.

Der Motor ist es dann auch gewiß nicht, der das Volvo Coupé so teuer macht. Es ist die exclusive Herkunft: Bertone In Italien, der schon für die alte 200 serie von Volvo einen Zweitürer von bemerekenswerter Häßlichkeit entworfen hat, zeichnete das stilisitsch viel ansprechendere neue Coupé und ist für die Produktion verantwortlich.
Und weil der italienische Maßanzug allein noch nicht reichte, um den 780 ins automobile Oberhaus zu bringen, wurde das Coupé vollgestopft mit Ausstattungsdetails, die der betuchte Yuppie heute nicht mehr missen möchte.

So umgibt die Insassen feines Leder - Modisch zweifarbig und mit jenem eleganten Faltenwurf, den Italiens Designer so schätzen. Die damit bezogenen Sitze sind bequem geformt und lassen sich elektrisch in alle Richtungen verstellen; wird ihre Rückenlehne vorgeklappt, summen sie automatisch in die vorderste Posistion, um den Durchstaig zum Fond freizugeben. Auch dort fühlt man sich recht gut untergebracht: Die Verwaldung zum Coupé machte den Volvo keineswegs zum mageren 2+2, sondern ließ auch hinten soviel Spielraum überig, daß Erwachsene sich nicht krümmen und die Knie bis zum Kinn hochziehen müssen. Was sonst noch alles im Volvo steckt, kann aus der Ausstattungsliste entnommen werden, erwähnenswert sind hier aber zumindest die automatische geregelte Klimaanlage, die sich durch gute Wirkung und einfache Bedienung auszeichnet, Sowie die aufwendige Stereoanlage, für die bezüglich der Effizienz ähnliches gilt, deren perfekte Beherrschung aber erst einmal ein Studium Bedienungsanleiting voraussetzt.

Es stellt sich natürlich die Frage nach dar Qualität. kann ein Volvo made in Italy mithalten mit den Betont solide und dauerhaft wirkenden Limousinen aus Sweden? Skepsis ist verständlich, aber wohl nicht berechtigt: Auch die Karosserie des Bertone-Coupés ist von der bei Volvo selbstverständlichen des Interieurs strahlt eine der Marke und auch der Preisklasse angemessene Gediegenheit aus. Dazu kommen die insgesamt funktionelle Gestaltung der Karosserie, gute Übersichtlichkeit und ein großer Kofferraum - es gibt tatsächlich in diesem Bereich wenig zu bekritteln am Volvo. Zumall ein ähnlich üppig ausstaffierter Mercedes 300 CE noch ein paar Franken mehr kostet.

Aber der hat eben auch einen der anerkannt besten Sechszylinder, und das führt zurück auf das eingangs erwähnte problem, mit dem sich die deutschen Volvo-Statthalter herumzumzuschlagen haben. Keine Frage, daß es bei Volvo an Motoren fehlt, die in der erreichten Preisklasse wirklich konkurrenzfähig sind. Der turbogeladene Viercilinder bietet sich für das komfortbetonte Coupé ebensowenig an wie der von VW stammende Turbodiesel mit sechs Zylindern, und die Italiener im 780 haben können. Denn die rauhen Manieren dieses Motors lassen sich ertagen, wenn man die dortigen Preisunterschiede zwischen Benzin und Diesel ins Kalkül zieht.

Bleibt eben jener sogenannte Europa-V6, der neben volvo auch bei Peogeot, Renault und Lancia heimisch ist. Aber dieser Motor ist wirklich kein großer Wurf - maßig leistungsfähig und schon deswegen von bescheidener Laufkultur, weil er seinen für ein V6-Triebwerk schwingungstechnisch ungünstigen Zylinderwinkel von 90 Grad aufweist. Im Lauf ihres Lebens wurde diese gemeinschaftsentwicklung immer wieder modifiziert - am gründlichsten bei Renault, wo für die Turbo-Version mit 2,5 Liter Hubraum eine neue Kurbelwelle mit um 30 Grad entwickelt wurde, die für gleichmaßigere Zündabstände sordt.

Die überigen Teilhaber der PRV-Runde (PRV steht für Peugeot, Renault, Volvo) blieben bei der ursprünglichen Konstruktion und vertrauten zur Leistungssteigerung auf großeren Hubraum. Mit 91 Millimeter Bohrung und 73 Millimeter Hub wuchs der V6 bis auf über 2,8 Liter, und in dieser aktuellen Ausführubg ist er auch im Volvo 780 zu finden.
Dazu gibt es ein automatisches Getriebe, das Volvo als DreigangAutomat mit Overdrive bezeichnet.
Denn am Wählhebel auf der Mittelkonsole wurde ein zusätzlicher Knopf installiert, mit dem sich ein Hochschalten in die lang übersetzte vierte Fahrstufe verhinderen läßt; eine Kontrolleleuchte am Armaturenbrett macht den Fahrer dann darauf aufmerksam, daß er noch eine zusätzliche Übersetzung zur Verfügung hat. Läßt man diesen Knopf außer acht, werden ganz normal Gänge durchgestgeschaltet - und das ist auch gut so, den im dritten vermag der Volvo zwwar ebenfalls seine Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, aber der Motor erklimmt dabei seine Höchstdrehzahl von 6000/min und veranstaltet ein ganz ungebührliches Spektakel. Als einziger Vorteil der Overdrive-Schaltung ist somit auszumachen, daß ohne Kickdown und ohne Bewegen des Wählhebels zwischen den Gängen drei und vier hin- und hergeschaltet werden kann.
Die Automatik verrichtet ihren Dienst im überigen mit erfreulicher Harmonie. Sie läßt nur bei Vollast leichte Schaltrucke spüren, ansonsten geht der Wechsel der Übersetzung sanft und stoßfrei vor sich, die Reaktion auf KickdownBefehle erfogt spontan.

stoelbediening.

Daß die Antriebseinheit trotzdem unbefriedigend bleibt, liegt am Motor, der nur im unteren und mittleren Drehzahlbereich so leise läuft, wie sich das für einen Sechszylinder gehört, beim Ausdrehen aber leut und brummig wird. Vibrationen deuten dan ebenfalls an, daß ihm solche Kraftakte im höchstem Maß zuwider sind. Da selbst schonungloses Auspressen der Reserven dem Volvo nur zu Höchst durchschnittlichen Fahrleistungen verhilft, läßt man es lieber gleich bleiben und befleißigt sich einer geruhsamen Fahrweise. Latein-Kundige werden wissen, daß Volvo "ich rolle" heißt, und sie weren bei der Gelegenheit bemerken, daß eine solche Gangart am besten zum 780 paßt.

Schließlich hift das auch, den Verbrach in Grenzen zu halten. Den obwohl der Volvo-V6 nicht viel gibt- nehmen tut er ganz gern.Hier fordert die mäßige Aerodynamik (Cw=0.38) ebenso ihren tribut wie die automatische Kraftübertragung und natürlich das beachtliche Gewicht von fast 1,5 tonnen. Der nur 60 Liter fassende Tank wird also schnell leer, weil sich der Volvo nur mit Weniger als zwölf Liter pro 100 Kilometer zufrieden gibt, wenn der Fahrer das Gaspedal mit zarter Behutsamkeit behandelt. Viel Vollast treibt den Verbrach bis auf knapp 17 Liter/100 km; im Testdurchschnitt ergaben sich 14,2 Liter. Damit können sich wohl nu Menschen abfinden, die schon mit dem Kauf des 780 bewiesen haben, daß es ihnen aufs Geld nicht ankommt.

In der tat liegt also die Größte Schwäche dieses volvo-Modellls in seiner Antriebsquelle. Ansonsten könnte man durchaus zufrieden sein - mit der guten Handlichkeit beispielswise, die durch die leichtgängige und exakte Servolenkung erfolgreich unterstützt wird. Oder mit Fahreigenschaften, die geprägt werden durch guten Geradeauslauf und deutlich untersteuerndes, absolut problemloses Verhalten in schnell gefahrenen Kurven. Allein der Federungsfomfort ist allenfalls durschnittlich, aber das sei hier nur am Rande erwähnt, weil der testwagen noch die altere hintere Starrachse besaß, die gern einmal einen kräftigen stoß austeilt und auf holperiger Fahrbahn bisweilen den Bodenkontakt verliert. Mit der neuen Einzelradaufhängung die Volvo in den 700-Modellen auf der IAA in Krankfurt vorstelltund die auch das Bertone-Coupé erhalten soll, ist eine spürbare Verbesserung zu erwarten.

Aber selbst dann kommt man nicht umhin, die weise Entscheidung von volvo zu bewundern, mit diesem Auto nicht den deutschen Markt in Unruhe zu versettzen. Im Gegensatz zur Schweitz wären seine Chancen minimal - und wer freut sich schon, wenn nur einer lacht - nämlich die Konkurrenz?


text Götz Leyrer Auto Motor Sport 1987.

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