Test: Exklusives Volvo-Coupé

SCHWEDEN HAPPEN


Leute, die fast 50 000 Mark für ein auto ausgeben können, gelten als reich. Wenn sie aber für ihr geld weder Mercedes noch BMW wollen, sind sie arm dran - die Auswahl an Alternativen ist gering. Es sei denn, man kleidet sich im diskreten Charme der Hautevolee und fährt Volvo 262 C



Die Genesis des Volvo 262 ist ein schieriges Kapitel im Neuen Testament des Schwedischen Hauses. Weil sich die firmeneigenen Designer, eher an Kastenförmigem orientiert, nicht an eine Coupé-Variante ihres Topmodells 260 trauten, riefen sie Italo-Stylist schon gerne experimentierte.
Nach den Vorstellungen des großen Couturiers sollte eigentlich ein Cabriolet die Volvo-Palette zieren. Also schnitt Bertone - Gott sei Dank nur auf dem Papier - dem Volvo 260 das Dach ab und betrachtete sein neues Werk. Als er aber sah, wie es aussah, sah er ganz schnell zu, daß es nicht mehr so aussah - er entschloß sich für ein Coupé. Es gib, von bösen Zungen in Umlauf gebracht, auch noch eine weitere Entstehungsgeschichte: Bertone soll "Ich hab's" gerufen haben, als er eine Volvo-Limousine unter der Schrottpresse sah und sofort aus Zeichenbrett geeilt sein. Aber da ist die Version mit dem Cabriolet-Gedanken schon glaubhafter. Ob schön oder nicht, die Diskussion über die ausgefallene Karosse des Volvo 262 haben zumindest rund 300 Liebhaber in Deutsland mit einem klaren Ja für sich beantwortet und ein Avantgarde-Modell bei den Schweden erstanden.
Dies Käuferschicht läßt dich nach den Ausführungen von Pressechef Siegfried Tausch jedoch nicht klar einordnen. "Wir haben Boutiquebesitzer und Metzger in unsere Kundenschaft, ebenso einen Pfarrer aus Bayern', umreißt der PR-menn die 262-Gemeinde. Eines ist Diesen mutigen Zeitgenossen, die anstatt eines Mercedes-Coupés lieber zu Schwedischem gegriffen haben, nicht abzusprechen: Sie haben die Gewißheit, im Einheitslook anderer Firmen aufzufallen, wo immer sie erscheinen mit ihrem Anderthalbtonner. Und sie reisen, was viele nicht ahnen, ausgesprochen bequem und luxuriüs durch die Lande. An warmen tagen fächelt eine wirksame Klimanlage Kühlluft ins Gehäuse, die Seitenscheiben gehorchen auf das Kommando der Bordelektrik, und ein Tempomat gewärhrleistet die akkurate Beibehaltung eines gewünschten Tempos. Wie freilich der zwölf Zentimeter breite Blendsteifen an der oberen Windschutscheiben-Kante und das auf Knopfdruck total verriegelbare Cockpit - es ist ratsam, stets einen Wagenschlössel am Mann zu tragen - den Segen des deutschen TÜV bekommen haben, bleibt schleierhaft.

Sportliche Ambitionen hat er keine

Ebenso erfreuen die serienmäßigen Ledersitze mehr durch Optik als durch ihre Praxis-Qualitäten. Schwülstig wie die Couch-Garnitur eines Amerikanischen Hilton-Hotels, laden sie zwar zu längerem Aufenthalt ein. Doch wer einmal Platz genommen hat, kann trotz verstellbaren Kreutzstützen in den Rückenlehnen keine entspannte Posistion finden. Hier gilt wohl die Eigenphilosphie eines Volvo 262-Besitzers: "Wer schnell färt mit diesem Auto, rutscht ständig hin und her - aber wer rast schon mit diesem wohlriechenden Mobil?" So kann man es natürlich auch sehen. Ja, es ist wohl so. Denn im Volvo-Coupé größere Strecken zu bewältigen, verlangt in der Tat nach Umgewöhnung. Zum einen quittiert dieses riesige Auto sportliche Ambitionen meist mit einem strafenden Ächzen der Mechanik, zum anderen bewegt sich dabei die Nadel der Benzinuhr stets schneller als die Nadel des Tachometers. Mit anderen Worten: Mit einer Worten: Mit einen Tankfüllung von 60 Litern kommen eilige Faher niemals weiter als 350 Kilometer.
Unter der ewig langen Motorhaube, die dem Fahrtwind trotzt wie eine Rolls-Royce-Bastion, versieht jener Leichtmetall-Sechszylinder vom 264 den Dienst, dessen 148 PS (109 Kilowatt) aus 2664 Kubikzentimetern Hubraum alle Mühe haben, das schwere Auto zu beschleunigen. Dieses eher behäbig zur Sache gehende Triebwerk, eine Gemeinschafsproduktion von Volvo, Peugot und Renault, verfügt zwar über zwei obenliegende Nockenwellen und eine Bosch K-Jetronic-Einspritzung. Aber so, wie es sich "anfühlt" macht sich mehr der Eindruck aus der guten alten Kutschen-Zeit breit. Hohe Drehzahlen sind ihm ein Greuel, viel lieber arbeitet dieses Aggregat im mittleren Touren-Bereich. Deshalb paßt, wie auch im sport auto-Testwagen vorhanden, die leicht antiquierte Borg & Warner-Dreigang-Automatik besser zur Motorencharakteristik als das serienmäßige Viergang-Schaltgetriebe mit dem Totschläger-Knuppel auch 1150 Mark Aufpreis.

Daten und Messungen

6 zyl.-motor in V-Form; 2664 ccm;
Bohrung x Hub 88 x 73mm; 148 Ps
(109 kW) bei 5700/min; maximales
Drehmoment: 2188 Nm bei 3000/min;
Verdichtung: 9,5:1; Literleistung: 55,5
PS/I; Leergewicht: 1410 kg; Leistungs-
gewicht: 9,5 kg/PS; Fahrerk; vorne
Einzelradaufhängung an McPherson-
Federbeinen und unteren Querlenker,
Stabilistor; hinten Starrachse, Vier
Längslenker, Panhrdstab, Schrauben-
federn, Stabilistor, Radstand: 2640
mm, Länge: 4890 mm, Breite; 1710 mm
mm, Höhe: 1360 mm; Reifen; 185/70
HR 14.

Beschleuniging:

0 - 60 km/h 5,1 sec
0 - 80 km/h 7,6 sec
0 -100 km/h 11,4 sec
0 -120 km/h 16,3 sec
0 -140 km/h 24,3 sec
1 km mit steh.Start 33,0 sec

Höchstgeschwindigkeit:

181,8 km/h

Elastizität

(ab 50 km/h in Stufe D):
50- 80 km/h 4,4 sec
50-100 km/h 8,3 sec

Testverbrauch:

16,1 L/100 km(super)

Preis (wie Testwagen):

45 950,- DM
Wer nun, stets angeschnallt, um die nervtötend blinkende "Fasten your seatbelt"-Leuchte zu beruhigen, Schnell starten will, ist entäuscht. Die eine Hand auf dem Schalthebel, der rechte fuß das Gaspedal malträtierend, eilt der Volvo 262 in behäbigen 11,4 Sekunden auf die 100 km/h-Marke zu. Gleiches gilt für die Höchstgeschwindigkeit. Zwar läuft das Flaggeschiff, sofern nicht widrige Gegenwinde herrschen, fast 182 km/h schnell. Doch die strecke, die es dafür als Anlauf benötigt, genügt drei D-Zügen zum bremsen aus voller fahrt. Selbst Überholvorgänge wollen sorgfältig überlegt sein. Ein 262 C, genüßlich mit 50 km/h bewohnte Gegenden verlassend, läßt sich immerhin 447 Meter und 17 Sekunden Zeit, um tempo 130 zu erreichen. Das kann die konkurrenz - die Schweden geben es zu - um Längen besser.
Dafür straft das Riesenauto, dessen Extremitäten beim Parken nur zu erahnen sind, seine Mitbewerber um zahlungskräftige Käufergunst mit überlegenem Fahrkomfort. Das also, so errät sein Lenker bei flottem Ritt über großschlächtiges Kopfsteinpfalster, nennt men "Gleiten wie in einer Sänfte". Überhaupt fühlen sich die 262-Insassen recht geborgen und sicher. Das Wissen um integrierte Überrollbügel im viel zu niederig Dach - echte Germanen stoßen sich den kopf -, Klankenschutrohre in den Türen vom Format einer mittleren Gasleitung, eine vordere Spritzwand aus ein (!) Millimeter dickem Stahlblech und vorberechnetes Abknickverhalten von Trägern und Hauben lassen einem schnell den Spruch vom

"My Volvo is my casle"

über die Lippen kommen. Selbst im Detail bemühten sich die übereifrigen Schweden (Werbespruch: Sicherheit = Volvo) um Solidät. So ist beispielsweise das Füllrohr zwischen dem 60 Liter-Tank und dem Einfüllstutzen flexibel - wichtige Elastizität bei einem Heckaufprall. An aktiver Sicherheit steht dem jeweiligern Fahrer freilich eine nicht unbedeutende Rolle zu, er muß das Fahrwerk beherrschen. Während die serienmäßigen Leichtmetallräder vorne durch McPherson-Federbeine und unterem Querlenker mit der Karosserie verbunden sind, arbeitet hinten nur eine reichlich dimensionierte Starrachse mit vier Längslenkern und einem Panhardstab.
Dementsprechend verhält sich das schwere Verhikel: Solange es nicht gefordert wird, gleitet es sauber geradeaus, Gasdruckstoßdampfer absorbieren lästige Straßenunebenheiten weitgehend. Doch wer den Volvo 262 schnell um Biegungen hetzen will, noch dazu bei feuchter Fahrbahn, muß hart arbeiten. Das hohe Fahrzeuggewicht, einmal in Seitwärtstrend, drängt je nach Tempo derart vehement in Richting Straßenaußenrand, daß rasches und beherztes Kurbeln an der Servolenkung vonnöten ist. Dieser instabile Zustand, von den meisten 262-Eignern sicherlich mit Grausen verabscheut, hält allerdings nur so lange an, bis der Koloß sich selbst straft: Er bremst sich ab und bleibt brav. Die Volvo-Pressestelle in Dietzenbach-Steinberg bei Frankfurt, auf dieses Übel angesprochen, verweist nur auf eine schriftliche Mitteilung in der Pressemappe: "Volvo baut Automobille, die gleichbleibende Fahreigenschaften in allen Situationen haben. Und wenn ein Fahrzeug sich immer gleich verhält, ist es auch berechenbar. Es reagiert auf Aktionen des Fahrers immer so, wie er es erwartet, das Automobil hat keinen 'eigenen Willen'." Schön wäre dies, wenn es so wäre. Mit dem Volvo größere Wegstrecken -nicht allzu forsch- unter seine großen Räder zu nehmen, erscheint deshalb als einziger Selbstzweck, Im Kofferraum findet genügend Gepäck Platz, nur die Klappe des hinteren Abteils benötigt einen kräftigen genickschlag, bis sie einrastet. Der Einstieg durch die sehr breiten und wuchtigen Türen - hier spricht man noch von einem Schlag - geschieht mühelos. Bloß die hinten Sitzenden grämen sich um zu wenig Kopf- und Kniefreiheit. Dafür genießen sie wohl als einzige Mitfahrer in der Welt das Privileg, von der Außenwelt kaum gesehen zu werden. Ein kleines Krönchen am Vinyl-bespannten hinteren Dachträger verleiht ihnen sogar etwas Königliches. Obwohl sie sich so gar nicht danach fühlen. Sie erschrecken sogar, wenn der Fahrer seine Tür öffnet oder falls er vergessen hat, den Zündschlüssel abzuziehen oder das Licht auszuschalten. Dan nämlich scharrt ein widerliches Signal durch die Lederwelt des Nobel-Coupé. Bei der beachtlichen große von 4,89 Metern Länge und 1,71 Metern Breite paßt der Volvo 262 nicht in jede Norm-Garage, das mußte auch ein sport auto-redakteur erfahren, als er dem wuchtigen Coupé ein schützendes Dach für die Nacht anbieten wollte. Doch bei Lichte betrachtet, so sagt er sich, macht sich der riesenSchwede auch vor der Haustüre ganz gut. Die lieben Mitmenschen taxieren den 262-Fahrer tatsächlich etwas sonderhaft, sie wittern Frackträger, ahnen Theaterbesuch. Doch dieser Schein trog. Während die die guten Leute - abendlichen Vorfahren vor einem Schauspiehaus - glaubten, der Lenker halte nach dem Ausschau nach seinem Opernglas im Wageninneren, delektierte sich der Faher nur an der Innenbeleuchtung. Denn die brennt nach Verlassen des Wagens noch ganze 15 Sekunden weiter.


text aus SPORT AUTO juli 1980.

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